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Vorwort: Diese Reihe begann mit dem Essay "Wie wird man zum Antifaschisten?" (hier geht es zu unserem ersten Beitrag). – In dieser mehrteiligen Reihe setzen wir uns mit den Themen Faschismus und Holocaust auseinander und warnen unmissverständlich vor Hass und Vorurteilen. Wir betonen, dass die Wurzeln des Faschismus bis heute fortbestehen und weisen nachdrücklich auf die Gefahren hin, die aus Angst, Unsicherheit und Hass entstehen. Zudem kritisieren wir die Weitergabe extremistischer Ideologien an die nächste Generation. Insgesamt setzen wir uns entschieden gegen Faschismus und Menschenverachtung ein. – Weitere Informationen finden Sie unten auf dieser Seite.
Deutschland 2024: Viele Menschen sind entsetzt über das, was gerade geschieht. Aber ist das wirklich so überraschend? Natürlich dachten alle, der Faschismus wäre in diesem Land endgültig besiegt.
Aber was genau ist das nun, der Faschismus? Man kann über die Bedeutung streiten, aber letztendlich bleibt immer die eine Quintessenz: herrschen durch Gewalt und/oder Angst.
Ob die Gewalt nun physischer oder psychischer Natur oder eine üble Mischung von beiden ist, bleibt sich gleich. Es ist immer etwas sehr Böses. Diese Aussage mag simpel klingen, möglicherweise sogar kindlich, aber die meisten von uns haben genau das schon erlebt. Und meist in der Kindheit. Entweder waren wir selbst betroffen, oder wir haben gesehen, wie andere unter so etwas leiden mussten.
Mobbing gab es schon immer, auch wenn das Element Multimedia einst fehlte. Es gab immer irgendeine Clique, vor der jeder Angst hatte. Einen Klassenrüpel, der seinen Willen mit Gewalt durchsetzte. Oder diese bestimmte Lehrkraft, die manche Schüler lächerlich machte vor der ganzen Klasse. Wer irgendwie anders war, wenn auch minimal, bekam das zu spüren. Abfällige Bemerkungen über Äußerlichkeiten oder Herkunft hörte man für gewöhnlich schon im Elternhaus. Das waren meist leicht hingeworfene Äußerungen, die aber als normal verstanden wurden. Kinder übernahmen das und hielten es ebenfalls für normal.
So lernten wir alle, was in Ordnung und was nicht in Ordnung war. Je nach den Ansichten der erziehenden Personen. Ich erinnere mich, dass ich als noch sehr kleines Kind gefragt hatte, was denn ein Bettler sei. "Das ist ein alter Mann mit einem dreckigen Bart", hieß es. Damit konnte ich nichts anfangen, beließ es aber dabei. Damals waren Bettler selten. Was ich heute über Leute höre, die in den Fußgängerzonen betteln, dreht mir den Magen um. Da hat jeder "einen Mercedes um die Ecke geparkt" oder ist ganz einfach "stinkfaul und soll arbeiten". Und ich höre auch immer wieder in selbstgefälligem Ton: "Von mir kriegen die nix. Ich muss schließlich arbeiten für mein Geld." Und dieser abfällige Ton kann zu blankem Hass mutieren.
Je nach Gegend wurde entweder gutmütig über Farbige gelächelt oder dieses unsägliche "Das sind auch Menschen" betont. Gönnerhaft und mit dem unbedingtem Vorsatz, ein nicht rassistischer Mensch zu sein. In Städten mit amerikanischer Garnison war man wahrscheinlich weniger ängstlich, wenn es um den "schwarzen Mann" ging.
Anderswo wieder wurden Vorurteile hingebungsvoll gepflegt, als die Gastarbeiter kamen, ab 1956 aus Italien und anderen europäischen Ländern. Bei uns hießen die Italiener "Itaker" und wurden keinesfalls als gleichwertig betrachtet von den meisten Mitbürgern.
Dann, ab 1961, kamen die Türken, die noch weit andersartiger waren und deren Kultur völlig unverständlich. Und die sehr misstrauisch beäugt wurden. Das waren keine Flüchtlinge – das waren normale Arbeiter, die in Betrieben ihren Lohn verdienten, und dort als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden.
Hass hatte ja Tradition, denn als im Winter 1944/45 die Flüchtlingstrecks aus den deutschen Ostgebieten kamen auf der Flucht vor der Roten Armee, da waren sie ebenso verhasst wie die Flüchtlinge heute. Das habe ich heute noch in den Ohren. Obwohl ich keine Ahnung hatte, was ein Flüchtling überhaupt war.
Wenn nun Menschen aus dem gleichen Land, mit gleicher Sprache und natürlich gleicher Hautfarbe als minderwertig gelten, nur weil sie "nicht von hier" sind und natürlich auf der Flucht nicht alles, was sie besitzen, mitnehmen können, wundert es nicht, dass ein Mensch aus Syrien kaum Aussicht auf Akzeptanz haben kann.
Die Leute, die noch die "Werte" des Dritten Reiches verinnerlicht hatten, gaben es weiter an ihre Kinder. Und die wiederum nahmen es als selbstverständlich. Nicht unbedingt in bösartiger Weise, aber als einen Teil ihres Weltverständnisses. Die Saat war also immer da. Sie musste nur wieder gepflanzt und kultiviert werden. Der Boden, auf dem so etwas geradezu wuchern kann, war noch immer bereit. Man musste nur das schon Vorhandene nutzen.
Und genau das geschieht seit einigen Jahren und vor allem jetzt. Es gibt sehr gute Dünger für solche Saaten. Sie heißen: Angst, Hass, Unsicherheit, Geltungsdrang und natürlich Minderwertigkeitsgefühle. Und die neuen Gärtner der Apokalypse wissen, wie sie diese Mittel einsetzen müssen.
Anstrengen müssen sie sich dabei nicht, denn was sie versprechen, trifft genau die Erwartungen derer, die sich auf die neue Ernte freuen. Und das bereitet mir die größte Angst.
Weiterführende Informationen
Trilogie: "Geschichten über Menschen"
– Über Leute, die sich braun verfärbt haben: Ich weiß, wer du bist
– Du bist niemand, aber trotzdem kenne ich dich
– Ich dachte, ich wüsste wer du bistFakten über Fakes und mehr Informationen
– Hasserfüllte und menschenverachtende Zitate der AfD (Jugendstrategie der Bundesregierung)
– Das vergessene Fotoalbum der SS (SPIEGEL TV für den MDR)
* "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch" sind die Schlussworte des Epilogs zu dem Parabelstück "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" von Bertolt Brecht. Das im Gangstermilieu von Chicago angesiedelte Stück schildert durch Übersteigerung verfremdet das Emporkommen Hitlers und seiner Gefolgsleute in der Weimarer Republik bis hin zur Annexion Österreichs.
© "Der Faschismus in diesem Land ist nicht endgültig besiegt. Teil 2: Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch": Ein Textbeitrag von Loxixedo, 11/2024. Bildnachweis: oben Menschen, die sich fürchten, sowie unten demonstrierende Menschen, beide Abbildungen CC0 (Public Domain Lizenz).
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