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Vorwort: Diese Reihe begann mit dem Essay "Wie wird man zum Antifaschisten?" (hier geht es zu unserem ersten Beitrag). – In dieser mehrteiligen Reihe setzen wir uns mit den Themen Faschismus und Holocaust auseinander und warnen unmissverständlich vor Hass und Vorurteilen. Wir betonen, dass die Wurzeln des Faschismus bis heute fortbestehen und weisen nachdrücklich auf die Gefahren hin, die aus Angst, Unsicherheit und Hass entstehen. Zudem kritisieren wir die Weitergabe extremistischer Ideologien an die nächste Generation. Insgesamt setzen wir uns entschieden gegen Faschismus und Menschenverachtung ein. – Weitere Informationen finden Sie unten auf dieser Seite.
Das: "Bei Adolf hätte es das nicht gegeben" bis hin zu: "Bei Adolf hätte man euch vergast" wurde irgendwie noch belächelt. Diese Gestrigen waren einfach die Übriggebliebenen. Dachten wir zumindest, wenn wir uns auf der Straße vor der Disco trafen und unsere Frisur, unsere Kleidung und allein unsere Präsenz so manchen zum Schäumen brachte, der noch in georrrrrdneten Reihen, HJ-Haarschnitt und Wanderliedern beheimatet war.
Als Teenager nahmen wir das nicht ernst und reflektierten auch nicht wirklich. Das kam später, wahrscheinlich zu spät.
Zwischenspiel: An der Bushaltestelle stehe ich neben einem älteren Mann, der eine Papiertüte mit Einkäufen hat und darüber Scherze macht, dass es regnet und die Papiertüte wahrscheinlich nicht die richtige Wahl war. Bis hierhin alles entspannt. Aber dann kommt es doch. Eigentlich unerwartet: "20 Euro für die paar Kleinigkeiten. Wir zahlen für die Ukraine mit, das sag ich Ihnen." Zum Glück kommt sein Bus angefahren und ich muss nichts dazu sagen. Wahrscheinlich hätte ich es auch nicht getan.
Dieses "Tellerrand-Syndrom", wie ich es nenne, hat sich bei vielen Menschen deutlich verschärft. Der Rand ist jetzt sogar nach innen gebogen, um jede Gefahr eines Blickes darüber auszuschalten. So etwas kommt auf der Straße, im Laden oder im Bus häufig vor.
Zwischenspiel: Da war dieses junge Mädchen, das ein Kopftuch trug und im Mittelgang nach hinten ging, um sich zu setzen. Es war ein ziemlich großes Tuch, dessen Enden lang herunterhingen. Und dann die Stimme einer Seniorin, die ich flüchtig kenne: "Wenn ich das schon sehe, könnte ich mich aufregen." Und automatisch kam von meiner Seite: "Stellen Sie sich einfach vor, es wäre eine Nonne. Dann geht es wieder." Gekicher im Bus, ratloser Ausdruck der alten Frau. Sie hat den Sarkasmus wohl nicht verstanden und hielt das vielleicht für einen gut gemeinten Rat. Auf jeden Fall grüßt sie mich noch. Tatsächlich wäre es mir aber auch gleichgültig, wenn sie es nicht täte.
Schlimmer ist es, wenn langjährige Bekannte oder sogar Freunde plötzlich an diesem Syndrom erkranken. Oder hat man es nur eine Zeit lang nicht bemerkt, obwohl es längst chronisch geworden ist?
Zwischenspiele: Wir gehen mit den Hunden die Straße entlang, vor uns eine Muslima, die meiner Bekannten nicht schnell genug geht. Dann fällt das Wort "Kopftuchschlampe". "Na, jetzt aber", sage ich, weil mir im ersten Moment nichts anderes einfällt. Kommt nicht gut an. Dann wird die Bekannte zur Fachfrau für den Islam. Irgendwie geht mir das jetzt richtig auf die Nerven und ich zitiere einige Stellen aus der Bibel. Die, in denen Frauen das Schweigen in der Gemeinde verordnet wird und was dergleichen Dinge mehr sind. "Ja genau, das steht nämlich im Koran, so ticken die", sagt die Frau begeistert. Ich kläre sie auf, was auch nicht gut ankommt. Plötzlich will sie nicht mehr darüber reden. Wir sind keine Bekannten mehr. Wir gehen uns aus dem Weg.
Als ich jemanden in einer Pflegestation besuche, hält eine weibliche Fachkraft einen Vortrag gegen das Impfen. Aber was soll ich sagen: Man wird abgeklärter.
Schließlich habe ich erlebt, wie eine Angestellte meines Hausarztes einem vielleicht zehnjährigen Jungen im Wartezimmer das Tragen seiner Maske verbieten wollte. Das war auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie. Man sieht also: Fachleute, egal welchen Geschlechts, können durchaus strunzdumm sein. Der Arzt selbst hatte kein Problem mit Mundschutz oder Impfung, ganz im Gegenteil. Nun, er ging dann in Rente und die Praxis wurde einem Nachfolger übergeben mit neuem Personal.
Ein anderer Bekannter lässt jedes Mal böse Anspielungen fallen, wenn es lange Schlangen vor den Kassen im Markt gibt. Vor allem am Monatsanfang. "Klaaaar, es hat ja wieder Geld gegeben." Sein Hass auf Bürgergeld-Bezieher tobt sich da aus. Er arbeitet nämlich. Auch seine Ehefrau. Und jammert über seine Finanzen. Teure Hobbys sind allerdings ein Muss, aber was soll ich sagen? Er ist nun einmal überzeugt davon, dass alle Bezieher faul sind und in Luxus leben. Wobei sein Sohn selber Bezieher ist, allerdings keinerlei Schuld daran hat. Klar.
Fast täglich hört man so etwas. Harmlos ist das nicht, denn der Rassismus im Alltag, unsoziales Verhalten und der alte "DIE SIND SCHULD"-Dreh sind die Vorstädte des Faschismus.
Das wirklich Gefährliche ist, dass sich Menschen mit diesem Syndrom nur allzu leicht und bereitwillig im Netz rechter Gruppierungen und sogenannter Parteien fangen lassen. Und dann wieder von nichts gewusst haben.
Mir ist klar, dass sich das alles ganz harmlos anhört, wenn man bedenkt, welchen Angriffen Juden derzeit ausgesetzt sind und dass offen zur Ausgrenzung von Behinderten aufgerufen wird. Und dass die Eugenik des Dritten Reiches fröhliche Urständ feiert. Doch diese Beispiele sind eine Art Nährlösung, in der Menschenverachtung und die Lust an Gewalt und Mord gedeihen können.
Weiterführende Informationen
Beiträge von uns
– Muslime in Europa zwischen Integration und Stigmatisierung
– Flüchtlinge unterwegs nach Europa. Ein Buch von Philipp Baar
– Sie kommen um zu bleiben. Foto-Essay zur Flüchtlingskrise von Christian SünderwaldFakten über Fakes und mehr Informationen
– Initiativen gegen Rechtsextremismus in Deutschland
– Verschwörungsmythen: Eine Droge aus Kinderblut? (Citizen Facts, ARTE)
© "Zwischenspiele oder das Tellerrand-Syndrom. Teil 3: Der Rassismus im Alltag und unsoziales Verhalten sind die Vorstädte des Faschismus": Ein Textbeitrag von Loxixedo, 01/2025. Bildnachweis: Die Illustration zeigt eine Menschengruppe, CC0 (Public Domain Lizenz).
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