|
"Liebste Mama", so beginnt der lange Brief von Sophia. Eigentlich eine ganz normale Anrede, doch die Schreiberin umkreist sie regelrecht. Sie will es so schreiben und will es doch nicht, will höhnisch sein vielleicht oder sarkastisch. Doch hat man das Gefühl, die alte Konditionierung, die Dressur greifen irgendwie doch wieder. Und genau das ist Sophia durchaus bewusst.
Im weiteren Verlauf dieses Briefes in Buchform erfährt man dann eine unglaubliche Folge von Vergehen gegen einen Menschen. Gegen das kleine Kind, das dieser Mensch einmal war und dessen Folgen anhalten bis zur Gegenwart. Übergriffe der schlimmsten Art, die ein kleines Mädchen nicht einschätzen kann. Die aber die Schmerzen spürt in ihrer Seele und an ihrem Körper. Sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlung in abwechselnder Folge, auch gleichzeitig.
Es sind verschiedene Freunde der Mutter, die Täter sind. Diese Männer verschwinden wieder, doch das systematische Zermürben der Kinderseele hält an. Die Haupttäterin ist die Mutter, die eine unglaubliche Raffinesse verwendet, um auf der Seele des Kindes bis in das Erwachsenenalter virtuos ihre gnadenlosen dramatischen Entwürfe zu spielen wie auf einem teuflischen Flügel.
Der Leser ist entsetzt, möchte vielleicht endlich Hass spüren. Hass auf diese entsetzliche Frau, die kalt und gnadenlos benutzt. Immer alles und jedes und vor allem jeden benutzt. Man hat das Gefühl, ein ausgewiesener Narzisst ist ein warmherziger, mitfühlender Mensch gegen diese "liebste Mama". Aber der Hass bleibt aus. Noch immer ist im Innern der Schreiberin eine Art Kette verborgen, die scheinbar um etwas Wichtiges geschlungen ist und den Ausbruch hindert. Den Ausbruch, den man erwartet, wenn man liest, was geschehen ist. Es sind nur wilde Zuckungen, ein Aufbäumen sicherlich – aber einen Endschlag gibt es nie. Zu lange wurde verformt, gepresst, gedemütigt und konditioniert.
Die Mutter ist Täterin, auch wenn sie immer und immer wieder die Opferrolle bemüht. Alle beteiligten Männer haben etwas in einem Kind abgetötet – und die eine Person, die eine Heilung in Gang hätte setzen können, hat den Rest erledigt. Was zurückgelassen wurde, sind Fetzen eines qualvollen Lebens, die ebenso umherwirbeln in einer geschundenen Seele, wie die zum Teil verzweifelten Versuche einer Art von Abrechnung, die nie gelingt. Es ist das Protokoll einer Demontage der Seele.
Aufwühlend und sprachlich hervorragend ist dieser Brief in Buchform etwas, das bleibt und nachwirkt. Ob der Leser nun selber betroffen ist oder nicht – es ist eindringlich auf eine verstörende Weise.
Es ist sehr wichtig, das Vorwort (Seite 5) nicht zu überspringen. Es zeigt Fakten auf, die für viele Menschen Realität sind.
Der Briefroman "Ich – die Lügnerin" von Ulla Burges ist keine leichte Kost
Die Schilderungen der schlimmen Zustände sind eher für Leser geeignet, die einiges aushalten können. Die Beschreibungen der familiären Verhältnisse gehen unter die Haut und sind an "Bösigkeit" (eine Wortfindung von Ulla Burges) nicht zu überbieten. Den Menschen, die Missbrauch oder Misshandlung am eigenen Leib erlebt haben, wird mit diesem Roman signalisiert: "Ich bin nicht allein."
Unsere Leseempfehlung: (Werbung) "Ich – die Lügnerin" wurde als Taschenbuch (212 Seiten) gegen Ende Oktober 2023 via Books on Demand veröffentlicht. Der Briefroman von Ulla Burges wird auch als E-Book im Handel angeboten.
Weitere Bücher mit und von Ulla Burges: (*Werbung)
"Der Schmerz ist anderswo" (Ein Erzählband von Ulla Burges) ➔ Lesen Sie die Rezension hier bei uns!
"Alle meine Freunde" (85 Kurzgeschichten in 5 Bänden) ➔ Lesen Sie die Buchvorstellung hier bei uns!
"Putchiqua um-um" (20 moderne Märchen) ➔ Lesen Sie die Buchvorstellung hier bei uns!
"Mein graues Paradies" (Autobiografisches von Ulla Burges) ➔ Lesen Sie die Buchvorstellung hier bei uns!
"Stücke meiner Nächte" (Audio-CD mit Gedichten, vertont von Katharina Burges) ➔ * Link zum Buchhandel
"Von Fischen und Menschen" (mit Karikaturen von Paul Pribbernow) ➔ * Link zum Buchhandel
© "Das Protokoll einer Demontage der Seele": Eine Rezension von Izabel Comati und Winfried Brumma (Pressenet), 11/2023. Die Abbildung (oben) zeigt ein depressives, trauriges Mädchen, CC0 (Public Domain Lizenz).
Archive:
Jahrgänge:
2022 |
2021 |
2020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
2015 |
2014 |
2013 |
2012 |
2011 |
2010 |
2009
Themen:
Autoren gesucht |
Buch-Rezensionen |
Ratgeber |
Sagen & Legenden |
Fantasy Mythologie |
IT & Technik |
Krimi Thriller |
Fachartikel & Essays |
Jugend- & Kinderbücher |
Bedeutung der Tarotkarten |
Bedeutung der Krafttiere
Noch mehr Bücher lesen (Werbung):
Fantasy & Science Fiction
| Krimis & Thriller
| Ratgeber
| Reise & Abenteuer
Sie schreiben anspruchsvolle Romane und Erzählungen? Wir suchen neue Autorinnen und Autoren. Melden Sie sich!
Wenn Sie die Informationen auf diesen Seiten interessant fanden, freuen wir uns über einen Förderbeitrag. Empfehlen Sie uns auch gerne in Ihren Netzwerken. Herzlichen Dank!
Sitemap Impressum Datenschutz RSS Feed