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Der Autor Robert Bloch lebte von 1917 bis 1994, wurde anfangs gefördert von Howard Phillips Lovecraft und war überaus produktiv. Wie sich Blochs Klassiker "Psycho" von 1959 für eine Rezension im Jahre 2020 liest, berichtet anschließend Bernd Wicik.
Norman Bates leitet ein Motel. Er hat eine gespaltene Persönlichkeit. Übernimmt der Teil von ihm, der seiner verstorbenen Mutter nachgebildet ist, tötet er seine Gäste. Als er eine junge Frau ersticht, führen die Ermittlungen ihrer Schwester und ihres Partners zur Ergreifung von Norman Bates. Er wird in dem Moment gefasst, in dem er die Schwester erstechen will.
"Psycho" lässt sich nicht besprechen wie eine Neuveröffentlichung. Jeder kennt den Titel des Romans, die meisten haben zumindest einige Minuten von dem Film gesehen, viele kennen Hitchcocks atmosphärische Verfilmung in- und auswendig. Um die Novella zu besprechen, hier ein Wort zur Herangehensweise: Moderne Autoren müssen es sich gefallen lassen, so besprochen zu werden, als hätten sie alles gelesen und verinnerlicht, was jemals in ihrer Sparte geschrieben worden ist. Das ist unfair, aber Alltag. Robert Bloch bleibt das hier und heute erspart. Bei ihm geht der Blick auf das, was er ausgelöst oder vorbereitet hat.
Erstaunlich modern wirkt die Art von Robert Bloch, seine Geschichte zu erzählen. Er bindet sich als Erzähler jeweils an die Perspektive einer Figur, aus deren Sicht alles berichtet wird, erzählt emotional und nah am Geschehen. Das ist die in den USA heutzutage vorherrschende Erzählweise, wenngleich das auktoriale Erzählen mit Ergänzungen außerhalb dessen, was die Figur im Fokus wahrnimmt, nach wie vor Anhänger hat. Wer das auktoriale Spiel mit der Perspektive von einem Könner vorgeführt bekommen will, liest aufmerksam den Anfang der Story "In the Hills, the Cities" von Clive Barker.
Bemerkenswert ist die Entwicklung, die sich an "Psycho" ablesen lässt. Seine Art, aus Figurensicht zu erzählen und ebenso schlichte wie moderne Sprache zu verwenden, das wirkt wie eine Blaupause für die Autoren unserer Zeit. Erstaunlich angesichts des Einflusses von Lovecraft. Dessen Erzählungen wirken heute wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, die von Robert Bloch wie die Anfänge des modernen Erzählens. Bloch ist ein Bindeglied.
Spannung erzeugt Robert Bloch durch Perspektivierung und eine Variante des unzuverlässigen Erzählers. Er berichtet aus der Sicht von Norman Bates, sodass die Tote lebendig erscheint. Erst in einem späteren Kapitel erzählt der Sheriff vom Tod der Mutter.
Gewalt ist das ständige Thema, wird aber nur ansatzweise dargestellt. Die Ermittlungen eines Detektivs und eines Sheriffs sind nebensächlich, schnell springt Bloch zu den Szenen mit Bates und seinen wenigen Kontaktpersonen. In dieser Novella geht es vor allem um die Psyche von Norman Bates. Spannung entsteht, wenn er befürchtet, seine Mutter würde eingreifen, und wenn sich andere Menschen ihm nähern. Es handelt sich also um einen Psychothriller. Robert Bloch hat viel in anderen Genres geschrieben, unter anderem im Bereich Horror anknüpfend an Lovecrafts Cthulhu-Mythos, aber dieser Roman ist zurückhaltend bei Gewalt und frei von Übersinnlichem. Die Genres Horror und Krimi verlangen eine andere Fokussierung.
"Psycho" ist ein guter Roman von gestern, der auch heute Lesern Spaß machen kann. Für die Freunde des Psychothrillers ist er eine Reise an die Quelle, denn die gewaltigen Auswirkungen dieses kurzen Romans lassen sich nur erahnen. Er bietet übrigens Lesern eine hervorragende Einstiegschance, Englisch als Literatursprache zu erkunden. Es finden sich nicht oft so gute Werke, die in so einfachem Englisch geschrieben sind. Nicht zuletzt lohnt es sich, Robert Bloch zu entdecken. Der Pionier hat mehr als nur eine gute Geschichte geschrieben, und auch unter seinen Kurzgeschichten finden sich bemerkenswert pfiffig pointierte Perlen.
Gelesen und rezensiert wurde die englische Ausgabe von "Psycho" als E-Book, herausgegeben von The Murder Room im Juli 2014. Der nachfolgende Link führt zum englisch-sprachigen Taschenbuch (216 Seiten, ISBN 978-0747531814) oder zur gebundenen Ausgabe; weiterhin gibt es "Psycho" dort als Hörbuch (3 Stunden und 11 Minuten, Sprecher: William Hootkins) bzw. als Audio-CD.
Wer die deutsche Buchausgabe bevorzugt, für den gibt es "Psycho" zum Beispiel als Rowohlt Taschenbuch (192 Seiten, ISBN 978-3499235979), sowie als E-Book oder Hörbuch (5 Stunden und 44 Minuten, Sprecher: Matthias Brandt) im Handel.
© Die Buchbesprechung zu Robert Blochs Meilenstein "Psycho" wurde verfasst von Bernd Wicik, 11/2020. Abbildung des Buchcovers: The Murder Room via amazon.de.
Lesen Sie weitere Buchbesprechungen von Bernd Wicik: "Cry Baby – Scharfe Schnitte" (Psychothriller von Gillian Flynn) | "Shutter Island" (Mystery- und Psychothriller von Dennis Lehane)
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