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Der Roman "Shutter Island" ist ein Mystery- und Psychothriller des US-Autors Dennis Lehane. Stärken und Schwächen des Romans wägt Bernd Wicik in dieser Rezension ab. Wer Spoiler vermeiden und den Roman erst selbst lesen will, klickt jetzt weg.
"Shutter Island" tut für eine Weile so, als würde es sich um einen Kriminalroman handeln. Zwei US-Marshals landen in den 1950er Jahren, nach dem Koreakrieg, auf einer Insel mit einer Mischung aus Krankenhaus und Gefängnis. Für eine Weile ermitteln sie und stören sich an der Geschichte, die andere ihnen von der verschwundenen Gefangenen Rachel Solando erzählen. Dann glaubt der toughe, aber kriegstraumatisierte Detective Teddy, dass der Schuldige am Tod seiner Frau auf der Insel ist. Ab diesem Punkt ist Teddy klar, dass er als Privatmensch und nicht als Marshal beteiligt ist. Er erwägt eine Verschwörung der Regierung, aber die Verquickung der Themen lenkt den Leser auf die Möglichkeit, dass die Handlung sich im Hirn eines Menschen darstellt, des Hauptdarstellers Teddy.
Schnell ist das Genre Detective Novel abgehakt, die Schwestern Mystery und Psychothriller übernehmen. Allerdings ist Mystery drückend dominant, weil das Geschehen auf der Insel chiffriert bleibt. Es entsteht nicht die Spannung eines Psychothrillers, in dem Menschen leiden und gegen innere und äußere Widerstände kämpfen. Zu abstrakt ist das Geschehen, zu beliebig dessen logische Verknüpfung.
Am Ende des Romans löst Dennis Lehane alles auf. Teddys Erlebnisse waren Teil eines Experiments, das Psychiater mit ihm veranstaltet haben. Er war als Patient auf der Insel – im durch Psychopharmaka verstärkten Wahn auf der Suche nach sich selbst. Die Psychiater wollten ihn dazu bringen, den Mord an seiner Frau nicht länger zu verdrängen. Anders gesagt: "Shutter Island" ist ein geführter Drogentrip nach schamanistischem Prinzip. Leider ist der Autor so verliebt in seinen Mysteryrausch, dass die nüchterne Aufklärung im Stil des Psychothrillers die beliebige Logik des Mysteryteils entlarvt, anstatt sie zu stützen. Das Zusammenspiel von Realität und Experimentaltherapie im Zerrspiegel des Wahngestörten wirkt nachbetrachtet unglaubwürdig. Dennis Lehane schießt sich selbst ins Knie.
"Shutter Island" ist ein Reißbrettprodukt, ohne dass dies allein ein Kritikpunkt wäre. Alle Leser mit der Erwartungshaltung, ein Roman möge realistisch und müsse aus dem Leben gegriffen sein, werden nicht bedient. Vor allem werden Fans des Genres Mystery glücklich. Sie bekommen ihre geliebten Zahlenspielereien und immer wieder Erklärungshäppchen, die sich in neuen Rätseln verirren. Fans des Genres Psychothriller gehen hungrig ins Bett. Zu leb- und spannungslos ist das Werk für die, denen Zahlenrätsel in einem künstlichen Setting und Pseudoermittlungen surrealer Detectives lediglich befremdlich vorkommen. Für alle Krimi- und die meisten Psychothrillerfans ist dieses Werk eine Mogelpackung. Mystery ist so frei und polarisiert hemmungslos.
Gelesen und rezensiert wurde die englischsprachige Ausgabe von "Shutter Island" als E-Book, die 2009 bei HarperCollins Publishers erschienen ist. Die Printausgabe in Englisch weist rund 400 Leseseiten auf (ISBN 978-0061897221). Der Mystery- und Psychothriller von Dennis Lehane ist auch als Hörbuch (9 Stunden und 35 Minuten) im Onlinehandel erhältlich.
In deutscher Übersetzung ist "Shutter Island" ebenfalls als Taschenbuch (ISBN 978-3257243352, 432 Seiten) oder E-Book erhältlich. Als Herausgeber fungiert der Züricher Diogenes Verlag.
© "Die innere Beliebigkeit der Wahnlogik": Eine Rezension von Bernd Wicik zum Mystery- und Psychothriller "Shutter Island", 10/2020. © Quelle der E-Book-Coverabbildung: HarperCollins Publishers.
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